Eberswalde-Finow

Ostern 2015 – Die Bunkerratten machten wieder mobil. Grund: ein Ostergeschenk in Form eines historischen Reiseführers [1], der die vergangene Industriekultur am Finowkanal beschreibt. Da am Finowkanal heute noch einige Bauwerke zu besichtigen sind, nutzten wir die freien Tage und sahen uns dort um.

Finowkanal

Der Finowkanal wurde um 1603 auf Veranlassung von Kurfürst Joachim Friedrich gebaut, um die Havel mit der Oder zu verbinden und dadurch einen Verkehrsweg Berlin – Stettin zu schaffen. Während des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) wurde der Kanal zerstört und erst 1743 durch Veranlassung Friedrichs, des II. wieder rekonstruiert. Dadurch kam der wirtschaftliche Aufschwung ins Finowtal. Mit dem Bau des Oder-Havel-Kanals verlor der Finowkanal seine wirtschaftliche Bedeutung. Heute wird der Kanal durch Wassersportler und Touristen genutzt. Ein Treidelweg führt entlang des Finowkanals bis zum bekannten Schiffshebewerk. http://www.schiffshebewerk-niederfinow.info

Hufnagelfabrik und Waggonlift

Gegründet in den 1870er Jahren vom Berliner Unternehmen Deutsche Gesellschaft für Hufbeschlag-Material Moeller & Schreiber, entwickelte sich diese Fabrik erfolgreich und wurde zu einem marktführenden Unternehmen. Heute sind nur noch einige Reste auf dem ehemaligen Fabrikgelände zu sehen, das meiste wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Aber uns erwartete ein Bonbon der besonderen Art: der Waggonlift. 1908 entwickelte die Firma A. Borsig eine Hebevorrichtung, mit dem man beladene Güterwaggons vom Fabrikgelände zum höher gelegenen Gleisanschluß der Fernbahn transportieren konnte. Bis zu 25 Tonnen wurden gehoben und ein Höhenunterschied von c. 6 m überwunden. https://waggonaufzug.wordpress.com

Eisenspalterei

Will man über die ehemalige Eisenspalterei mehr erfahren, sollte man sich zum Familiengarten in Eberswalde begeben. Der Freizeitpark liegt auf dem Gelände der ehemaligen Fabrik und zeigt ein paar rekonstruierte Gebäude, die in den Park integriert sind. http://www.familiengarten-eberswalde.de 1702 wurde die Eisenspalterei durch den hugenottischen Unternehmer Aureillon fertiggestellt. Der Name Eisenspalterei bezieht sich auf die Verarbeitung des Eisens. Der Werkstoff Eisen wurde durch Zerschneiden gespalten. Immer wieder wurde das Werk durch Brände in großen Teilen zerstört, so dass dem Unternehmer keine Wahl mehr blieb, als es letztlich dem Staat zu überlassen. Der verpachtete zunächst die Anlage, rekonstruierte und modernisierte es später zusätzlich und führte es dann selbst weiter. Ab 1732 belieferte das Werk unter Leitung des Berliner Handels- und Bankhauses Splitgerber & Daum Gewehrfabriken in Spandau und Potsdam sowie eine Stahl- und Eisenfabrik in Eberswalde. Ein erneuter Besitzerwechsel erfolgte 1879. Die Firma Hoffmann & Motz übernahm das Werk und baute es aus. Neben dem Parkplatz des Familiengartens kann man einige Erweiterungsbauten betrachten, die halbrunden Tragwerkskonstruktionen sind nicht zu übersehen. Einen Steinwurf entfernt davon liegt die Villa Motz. Eine Hubbrücke über den Kanal trennt das Werksgelände von der Villa.

Wasserturm Nähe Messingwerk

1700 nahm das erste Messingwerk der Mark Brandenburg seine Arbeit auf. Man produzierte Glocken, Kessel, Draht, Knöpfe und Haken, später wurde das Werk Zulieferer für Gewehrfabriken in Spandau und Potsdam. Um 1906 wandelte es der Besitzer Aron Hirsch in eine Aktiengesellschaft um. Durch den wirtschaftlichen Wachstumsschub konnte dann um das Messingwerk die Wohnsiedlung ausgebaut und erweitert werden. Der Wasserturm, der zwischen 1917 – 18 errichtet wurde, diente zur Versorgung mit Trink- und Betriebswasser aus sechs Tiefbrunnen. Mit 50 Meter Höhe ragt der Turm weit über das Gelände und bietet einen wunderbaren Blick auf die alte Industrielandschaft. http://www.wasserturm-finow.de Gleich neben dem Turm befindet sich eine besondere Siedlung, die Kupferhäuser. Sie wurden ab 1929, ähnlich der Ideen von Junkers [2] und Gropius [3], vom Messingwerk in der neu gegründeten Abteilung Kupferhausbau [4] als Fertigwohnhaus geplant unter Verwendung von Kupferblech als Baumaterial. Verschiedene Musterhäusertypen entstanden. Gropius, aufmerksam geworden, entwarf einen weiteren, verbesserten Haustyp und wurde später mit der Leitung der Abteilung betraut. Ab 1932/33 wurde die Kupferhausgesellschaft in Berlin weitergeführt und wandte sich aufgrund der politischen Situation vor allem an jüdische Flüchtlinge mit dem Ziel, solche Fertigteilhäuser mit nach Palästina zu nehmen. Die Häuser trugen Namen wie „Haifa“ oder „Jerusalem“ und ließen sich als Umzugsgut verpackt ausführen. Später wurde die Kupferverarbeitung von den Nationalsozialisten für private Zwecke verboten und die Häuserproduktion somit beendet. Ähnliche Hausbauprojekte gab es auch in Elstal. Dort wurde 1935 / 36 die Stahlhaussiedlung errichtet. Weitere Information unter http://www.historia-elstal.de/siedlungen.html Da wir nicht alle Bauwerke geschafft haben zu besuchen, werden wir später noch einmal zurückkehren und unsere Liste komplettieren. Es sind noch einige spannende „Stationen“ abzuarbeiten, u.a. die Papierfabrik Wolfswinkel oder auch das Kraftwerk Heegermühle. Die Kupferhäuser hatten wir zwar erspäht, jedoch keine Fotos mehr machen können. Das muss also alles nachgeholt werden! Übernachtet haben wir der empfehlens-, weil preiswerten Pension Märkische Bauernstube http://www.maerkische-bauernstube.de. Das österliche Abendmahl wurde uns in Omas Speisekammer http://hotel-lichterfelde.de aufgetischt.

Fotos

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[1] Buch „Ausser Betrieb“, Autorin Kristin Pilz, erschienen 2014 im vbb (Verlag für Berlin-Brandenburg).
[2] 1933–1935 beschäftigte sich Hugo Junkers mit dem Metallhausbau, einer seiner früheren Forschungsinteressen. Er gründete deshalb in München die „Forschungsanstalt Professor Hugo Junkers GmbH“. Er kümmerte sich um die rationelle und zweckmäßige Ausstattung dieser Metallhäuser, um Klimaanlagen, Mobilia und die günstige Raumbeleuchtung bei seinen Forschungen. Dabei versuchte Junkers, sich auf wenige verschiedene Bauteile zu beschränken, die einfach zu gestalten waren und durch ihre Form eine zeitlose Ästhetik aufwiesen. Seine Metallhauskonstruktionen, besonders die Dächer, sind in einer Form gefertigt, in der „die Technik auch als schön empfunden werden kann“. Schon in seiner Dessauer Zeit pflegte Hugo Junkers den Kontakt zu den Künstlern des Dessauer Bauhauses, von denen er Anregungen für seine Arbeit bekam, auf die er andererseits aber auch selbst Einfluss ausübte. Die von Junkers entwickelten Bauten sind in mehr als zwanzig Ländern anzutreffen und erfüllen noch heute nach mehr als 70 Jahren ihre Aufgabe. Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Hugo_Junkers Das Stahlhaus kann man heute besichtigen im Technikmuseum „Hugo Junkers“ in Dessau.
[3] Gropius setzt sich im BAUHAUS ab 1926/1927 intensiv mit dem Massenwohnbau auseinander und tritt für die Rationalisierung der Bauindustrie ein. Zur Lösung der städtebaulichen und sozialen Probleme des Siedlungsbaus propagiert er neben dem Wohnhochhaus die Vorfertigung. Unter seiner Leitung wird die Idee des Fertighauses und der Fertigbauweise am BAUHAUS gefördert. Quelle: http://www.fertighauswelt.de/holzfertigbauweise/geschichte/gropius.html