Bunker Falkenhagen

Rattenbefall nun auch in der „Mutter aller Bunker“. November 2008, wir erkunden Falkenhagen. Es hat geschneit, es ist ziemlich kalt. Aber die Sonne scheint und wir begeben uns wieder einmal nach unten.

Die erste Führung durften wir sozusagen privat genießen. Ein kundiger Fachmann, der das Bauwerk fotodokumentiert, jagte uns durch das Gebäude, zeigte uns erstaunlich Sehenswertes und Interessantes, was wir so noch nicht gesehen hatten. Tanks so groß wie Häuser, Gänge endlos lang und mehr, noch mehr endlose Versorgungskanäle, Türme, Zisternen, Treppenhäuser … eine unterirdische Stadt!

Die zweite Führung erlebten wir mit einem weiteren versierten Fachmann, der sich bestens in der Thematik auskannte, die historischen Zusammenhänge erläuterte und auch nette Anekdoten zu erzählen wusste. Das Gebäude wurde 1938 – 39 erbaut, birgt insgesamt 14.000 m² Nutzfläche in sich und hat 4 Geschosse, von denen ein Geschoss als Trennung zwischen Lager und Produktion gedacht war. In diesem Bauwerk war vorgesehen, den sogenannten N-Stoff (Chlortrifluorid), ein Raketentreibstoff, zu produzieren. Für die Infrastruktur, An- und Abtransport wurde eigens ein Bahngleis in den Bunker angelegt. Die Gleise sind heute noch zu sehen. In den letzten Kriegsmonaten sollte hier außerdem das Nervengas SARIN hergestellt werden. Gottseidank kam es dazu nicht mehr. Interessant war es für uns, zu erfahren, dass der komplette Bunker in einer Kupferwanne liegt, die die Feuchtigkeit abhält. Das ist auch gut zu erkennen, denn selbst im untersten Geschoss, wo man plante, die N-Stoff-Fässer zu lagern, ist kein Bauwerksschaden zu erkennen, kein Schimmel, keine Risse. Es riecht nicht mal bunkertypisch!

Wir besichtigten weitere Räume wie die Dekontamination, die Produktionshalle, liefen durch endlose Gangsysteme, blickten respektvoll in tiefe, dunkle Fahrstuhlschächte und bestaunten die Lagerräume der N-Stoff-Fässer. Pro Fass war ein Raum, der im E-Fall be- und entlüftet werden konnte, vorgesehen. Das austretende Gas wäre durch ausgeklügelte Gang-Systeme geführt, neutralisiert und der Atmosphäre wieder zugeführt worden. Das dazu benötigte Wasser hätte man dem naheliegenden See entnommen, anschließend biologisch und chemisch gereinigt und wieder in den See zurück gepumpt. Nach dem 2. Weltkrieg übernahm die Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland das Gebäude und widmete es in eine ABC-sicheren Kommandozentrale des Warschauer Pakts um. Zahlreiche Umbaumaßnahmen und Dekorationen russischen Stils sind gut erkennbar, teilweise legte man sich damit aber die Karten. Gleise wurden wegen Reputationsleistungen herausgerissen. Später stellte man fest, dass die Gleise durchaus den Zweck erfüllten, die mit der Bahn angelieferte Kohle bis zum Heizwerk zu transportieren und dort abzukippen. So war man nunmehr gezwungen, die Waggons mit der tonnenschweren Ladung per Hand zu entladen.

Das Gelände um den Bunker ist mit einer Vielzahl von heute verlassenen Gebäuden bebaut. Es fand keine Nachnutzung statt, die sowjetischen Rückbaukommandos übergaben die Liegenschaft unversehrt an das damalige Bundesvermögensamt Frankfurt (Oder). Inzwischen haben Vandalismus und Diebstahl das Gelände und die Gebäude sehr zum Nachteil verändert. Es wurde Stahl im großen Stil geklaut, Kabel wurden abgeschnitten, Fenster und Türen eingeschlagen und einige der Häuser sind am Zusammenfallen. Ein russischer Investor erwarb das Grundstück und die darauf/darin befindlichen Gebäude, kümmerte sich jedoch nie um Erhalt oder Sicherstellung der Substanz. Die Gemeinde erwägt nun, das Gelände zu schließen und Führungen aus sicherheitstechnischen Gründen nicht mehr stattfinden zu lassen. Wir hoffen, dass noch viele Besucher die Möglichkeit haben werden, dieses Bauwerk mit seiner bewegten Geschichte kennenzulernen. Eine Weiternutzung scheint aussichtslos.

Gruppenbild mit Katze

1. Nachtrag: Ein Betreiber hat sich gefunden und führt nun die „Bunkergeschäfte“ weiter.
Link www.bunker-falkenhagen.de

2. Nachtrag: Quelle MOZ vom 22.07.2011 Ines Rath 22.07.2011 06:48 Uhr Red. Seelow, seelow-red@moz.de Bunker-Nutzung vorerst untersagt Falkenhagen (moz) Einen Nachtrag gibt es zum gestrigen Bericht über das Bunkergelände im Wald bei Falkenhagen. Die Leiterin des kreislichen Bauordnungsamtes, Carla Bork, erklärte im Zusammenhang mit der genehmigten Paintball-Großveranstaltung Anfang Juni: „Bei unseren, an die Genehmigung gebundenen Auflagen ging es darum, die Sicherheit der Veranstaltungsteilnehmer zu gewährleisten. Doch noch einmal werden wir eine solche Zulassung nicht mittragen, bevor die planungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen sind.“ Die Anforderungen der Bauordnungsbehörde beziehen sich auf den Antrag des Betreibers – und, wie verlautete, inzwischen auch Eigentümers – des Geländes auf Erteilung einer befristeten Baugenehmigung zur Umnutzung des ehemaligen Militärgeländes zur Freizeit- und Sportanlage. Dazu seien die Unterlagen noch nicht vollständig beigebracht worden, so Carla Bork. Ihre Behörde habe dem Antragsteller bis Anfang August Zeit gegeben, die fehlenden Antragsunterlagen nachzureichen, erklärte die Leiterin der kreislichen Baubehörde. Sie geht davon aus, dass selbst im Falle einer pünktlichen Lieferung der angeforderten Unterlagen der Antrag auf Umnutzung bis zum September nicht genehmigt sein kann. Ihre Behörde habe deshalb für die im September geplanten, nächsten Veranstaltungen zwei Nutzungsuntersagungen ausgesprochen – gegenüber den neuen Eigentümern des Geländes und gegenüber dem Veranstalter, der BigGame Corporation, erklärte Bork. Abgesagt ist die Veranstaltung dennoch nicht, wie ein Blick ins Internet zeigt. Dort teilt die BigGame Corporation mit: „das September-EuroBigGame findet in Falkenhagen statt!“ Und: „Die vielen Autos aus ganz Europa werden nun nach Falkenhagen fahren, wo das Spielfeld des Kronos-Eventparks beheimatet ist.“ Was die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen den Besitzer des Bunkergeländes betrifft, so stünden diese dem planungsrechtlichen Verfahren nicht entgegen, teilte die Leiterin des Bauordnungsamtes weiter mit. Carla Bork sieht in dem Gelände auch tatsächliches „Entwicklungspotenzial“ für die geplante Nutzung. Doch bevor ihre Behörde endgültig Planungs- und Baurecht für das Areal im Wald bei Falkenhagen erteilt, sieht sie die Gemeinde in der Pflicht: „Wir möchten, dass die Gemeinde sich zu der geplanten Nutzung klar bekennt. Und zwar durch den Beschluss zum Aufstellen eines Bebauungsplanes“, so Bork. Ein solches – nicht ganz billiges – Verfahren beinhaltet die Einbeziehung aller so genannten Träger öffentlicher Belange. „Wir möchten, dass allen Beteiligten und Betroffenen klar ist, was das Baurecht dort bedeutet – nämlich die regelmäßige Nutzung des Geländes für Veranstaltungen verschiedener Art“, so die Leiterin der Kreis-Baubehörde.

3. Nachtrag: Es bleibt schwierig … Untersagung von Veranstaltungen auf der Bunkeranlage in Falkenhagen Falkenhagen (Mark), den 18.10.2011 Durch das Bauordnungsamt des Landkreises Märkisch-Oderland wurde für das gesamte Grundstück und die darauf befindlichen Gebäude eine dauerhafte Nutzungsuntersagung zur Durchführung von Veranstaltungen (Anm. auch Paintball) ausgesprochen. www.amt-seelow-land.de

4. Nachtrag: Bewegt sich endlich was? Quelle Berliner Morgenpost vom 12.12.2012 Von Jeanette Bederke Behörden schließen Bunkeranlage in Falkenhagen Paintball-Events ohne offizielle Erlaubnis – damit soll jetzt Schluss sein. Die Falkenhagener Anlage wurde versiegelt.Grüne Klebestreifen prangen an der nagelneuen Toranlage vor der Bunkeranlage mitten im Wald bei Falkenhagen. Wer das Tor öffnen will, müsste zwangsläufig erst die Klebestreifen entfernen. Doch das ist strengstens untersagt. „Versiegelt durch das Bauordnungsamt“ steht auf den Klebestreifen. „Wir kontrollieren die Unversehrtheit regelmäßig, lassen uns nicht mehr auf der Nase herumtanzen“, sagt Roswitha Tiede, Amtsdirektorin des Amtes Seelow-Land.Denn die Versiegelung des Eingangs zum Bunkergelände ist das vorläufige Ende eines fast zehn Jahre andauernden Trauerspiels um das geschichtsträchtige Areal, das mit seinem vierstöckigen unterirdischen Bunker eher zum Industriedenkmal getaugt hätte, als zu einem „Eventpark“. Zumal die Historie der zur Nazizeit errichteten Anlage noch nicht komplett erforscht ist.Neuesten Recherchen zufolge soll es sich bei dem Komplex, der nach 1945 von den Russen besetzt und genutzt wurde, um den wichtigsten, streng geheimen Gefechtsstand der Sowjetunion außerhalb des Landes gehandelt haben.Westlichste Führungsstelle“Im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung mit dem Westen wäre Falkenhagen die westlichste Führungsstelle für die militärischen Verbände der Warschauer Vertragsstaaten gewesen“, sagt der Falkenhagener Heini Hoffmann, der sich bereits seit dem Abzug der Streitkräfte kurz nach dem Mauerfall mit der Geschichte des Bunkers befasst und bereits zwei Bücher darüber herausgebracht hat. Auch die Stasi wusste zu DDR-Zeiten offenbar nicht wirklich, was sich hinter den Toren zum Bunkergelände genau abspielte. In den Unterlagen wird das Objekt nach Angaben von Rüdiger Sielaff, Leiter der Frankfurter Außenstelle für die Stasi-Unterlagen, als Geheime Verschlusssache (GVS)-Sonderobjekt der sowjetischen Militärverbände bezeichnet. Gegenüber der Bevölkerung wurde demnach die Legende einer „Autowerkstatt“ gesponnen, doch daran glaubte angesichts der rund um die Uhr patrouillierender Posten niemand, zumal ausschließlich sowjetische Armeeangehörige Zutritt zu dem Gelände hatten. Westliche Geheimdienste sollen das Bunkergelände Falkenhagen für ein Sanatorium gehalten haben, will Hoffmann herausgefunden haben. Interesse an der Geschichte gab es in den 1990er-Jahren aus ganz Deutschland, sagt der Hobbyhistoriker, der regelmäßig Führungen durch den labyrinthartigen Bunker machte. Als das Objekt den Besitzer gewechselt hatte, war damit Schluss. Im Jahr 2003 verkaufte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben das 35 Hektar große Areal an einen Berliner Investor. Der ging pleite, zeitweilig tauchte ein Insolvenzverwalter auf, dann plötzlich trat eine „deutsch-russische Gesellschaft“ als neuer Eigentümer an. Deren Geschäftsführer wiederum war der erste Käufer war. „Es gibt keinen direkten Ansprechpartner“, benennt Tobias Seyfarth, Sprecher des Landkreises Märkisch Oderland, das Dilemma von Gemeinde und Amt. Würde das Bunkergelände ungenutzt vor sich hin schlummern, wäre die Geschichte relativ unproblematisch. Doch das ist leider nicht so. Zeitweilig verkam das Areal zur Müllhalde. Davon zeugen unzählige Fässer und Kanister mit unbekanntem Inhalt sowie überlagerte Farbbüchsen. Erst kürzlich, berichtet Seyfarth, hätten Unbekannte dort Lkw-Reifen abgekippt. Auch gebrannt hat es dort bereits mehrfach, zudem wurde laut Hoffmann von Metalldieben alles gestohlen, was nicht niet- und nagelfest war. Anziehungspunkt für Paintball-Spieler aus ganz Europa. Darüber hinaus wurde der Bunker Falkenhagen zum Anziehungspunkt für Paintball-Spieler aus ganz Europa. Als Veranstalter trat ein Unternehmer aus Frankfurt (Oder) auf, der sich nach Angaben der Amtsdirektorin mehrfach in Gemeinderatssitzungen als angeblicher Pächter der Bunkeranlage vorstellte. „Der wollte daraus einen Freizeitpark mit Kletterwald, Bogenschießanlage, russischer Saunalandschaft und Hotel machen.“ Für eine Stellungnahme war der Mann allerdings nicht erreichbar. Zunächst, so hatten ihm Kreis, Amt und Gemeinde klar gemacht, müsste der Mann einen Bauantrag stellen. „Das Gelände liegt im Außenbereich, ist im Flächennutzungsplan von Falkenhagen ein weißer Fleck, da damals noch militärisch genutzt“, erklärt Gemeindevertreter Hartmut Lietsch. Nach seinen Angaben habe der Frankfurter „einen verbindlichen Eindruck“ gemacht. Man sei wirklich offen gewesen für die Pläne des Pächters, habe ihm mehrfach erklärt, was er zu tun habe, damit sein Freizeitpark genehmigt werden könnte, ergänzt Amtsdirektorin Tiede. Um ihm entgegen zu kommen, gestattete ihm das Amt in den vergangenen Jahren mehrfach Paintball-Treffen. Offenbar dachte der Pächter, dass er so weiter machen könnte – ohne die erforderlichen Genehmigungen und ohne Sicherungsmaßnahmen an der alten Bausubstanz auf dem Gelände. Das einzige, was er erneuerte, war die Toranlage, die jetzt versiegelt ist, um dem Treiben auf dem Bunkergelände Einhalt zu gebieten. Denn ungerührt lud der Paintball-Veranstalter im Internet weiterhin zu großen Treffen nach Falkenhagen; und zwar ohne Zustimmung der Behörden, die erst durch anonyme Hinweise aufmerksam wurden. Daraufhin verfügte das Amt Seelow-Land im vergangenen Jahr bereits eine „Nutzungsuntersagung“, die der angebliche Bunker-Pächter aber ignorierte, wie Tiede beschreibt. „Unsere Konsequenz war die Versiegelung, denn auf dem Gelände lauern Gefahren“, sagt die Amtsdirektorin. Ungesicherte Schächte“Wir müssen dafür Sorge tragen, dass niemandem etwas passiert“, ergänzt Kreissprecher Seyfahrt. „Es gibt dort ungesicherte Lüftungsschächte des Bunkers, die 20 Meter in die Tiefe gehen.“ Während der illegalen Paintball-Veranstaltungen sollen sich Teilnehmer bereits an Stahlträger-Resten verletzt haben und in eingefallene Versorgungskanäle gestürzt sein. Bevor dort Ruhe herrsche, müsse wohl erst „ein Unglück“ passieren, mutmaßt Gemeindevertreter Lietsch. „Eigentlich“, sagt er, „sollte der Verkauf des Geländes von 2003 rückgängig gemacht werden, weil keinerlei Auflagen einer zivilen Nutzung erfüllt wurden.“ Diesen Gedanken hatte man auch im Amt Seelow-Land und erkundigte sich beim Bundesamt für Immobilienaufgaben. „Die interessiert gar nicht, was damit passiert. Die Behörde ist nur froh, die Immobilie los zu sein und würde sie keinesfalls zurücknehmen“, heißt es dazu aus dem Amt.
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5. Nachtrag: mal wieder etablierte sich eine Paintsoft-Attraktion auf dem Gelände des Bunkers: www.area51.eu Immerhin könnte man dort eventuell eine Führung durch den Bunker organisiert bekommen.