Kraftwerk und Museum Peenemünde
Es ist Mitte März 2012, es riecht nach Frühling und uns treibt es an die Ostsee. Genauer nach Usedom, denn wir wollen uns dort ein bisschen umsehen auf dem Gelände der ehemaligen Heeresversuchsanstalt Peenemünde. Zuerst besichtigen wir das Museum mit dem Aussengelände und der Ausstellung in einem Seitengebäude des alten Kraftwerks.
Die Heeresversuchsanstalt Peenemündewar zwischen 1936 und 1945 eines der modernsten Technologiezentren der Welt. Im Oktober 1942 gelang von hier aus der weltweit erste Start einer Rakete ins All. In der benachbarten Erprobungsstelle der Luftwaffe wurden Flugkörper mit revolutionärer Technik getestet. Die Forschung diente jedoch von Beginn an nur einem Ziel: Hochtechnologie sollte militärische Überlegenheit schaffen. Nur durch den massiven Einsatz von Zwangsarbeitern, KZ-Häftlingen und Kriegsgefangenen war die Errichtung der Versuchsanstalten und die spätere Massenproduktion der Rakete, die Goebbels zynisch „Vergeltungswaffe 2“ nannte, in so kurzer Zeit möglich. Bei der Produktion unter unmenschlichen Bedingungen und beim Beschuss belgischer, englischer und französischer Städte mit der „Wunderwaffe“ verloren tausende Menschen ihr Leben. Die Ambivalenz der Nutzung modernster Technologie wird in Peenemünde deutlich wie an kaum einem anderen Ort. Zusammen mit der historischen Entwicklung bildet sie den Schwerpunkt der Ausstellung des Historisch-Technischen Museums Peenemünde, die im Kraftwerk der ehemaligen Heeresversuchsanstalt – dem größten technischen Denkmal Mecklenburg-Vorpommerns – zu besichtigen ist. Darüber hinaus ist das Museum eine internationale Begegnungs- und Kulturstätte und erhielt für friedensfördernde Aktivitäten im Jahr 2002 das Nagelkreuz von Coventry.
Quelle: www.peenemünde.de
Das Kraftwerk
Das Steinkohlekraftwerk vermittelt als eines der wenigen erhaltenen Gebäude der Peenemünder Versuchsanstalten noch heute eine Vorstellung vom großtechnischen Charakter, dem funktionalen Stil und dem technischen Standard der Anlagen. Die Raketenentwicklung, die Produktion von flüssigem Sauerstoff für den Raketenantrieb, die Peenemünder Werkbahn und die anlaufende Serienproduktion der Raketen benötigten große Mengen von Elektrizität. In kürzester Bauzeit von etwa zweieinhalb Jahren wurde das Kraftwerk unter massiven Einsatz von Zwangsarbeitern gebaut und erzeugte ab 1942 eine Leistung von 30 Megawatt. Nach der teilweisen Demontage unter sowjetischer Besatzung produzierte das Kraftwerk nach einer Instandsetzung und Erweiterung noch bis 1990 Strom und Wärme.
Das Sauerstoffwerk
Die in Peenemünde entwickelte Rakete A4 (“V2“) benötigte für den Antrieb zwei Treibstoffkomponenten: Alkohol und flüssigen Sauerstoff zur Verbrennung des Alkohols. Deshalb wurde in Peenemünde ab 1939 ein Sauerstoffwerk errichtet. Nach der Demontage der technischen Anlagen auf Befehl der sowjetischen Militäradministration ab 1945 wurde es noch zeitweise als Lagerraum genutzt. Heute steht das Gebäude leer und prägt als Ruine zusammen mit dem Peenemünder Kraftwerk, welches auch die Energie für die Sauerstoffproduktion bereit stellte, das Ortsbild des kleinen Dorfes. Das Sauerstoffwerk ist heute zudem eine wichtige Station der „Denkmallandschaft Peenemünde“.
Das Museum
Historisch-Technisches Museum Peenemünde GmbH
Im Kraftwerk
17449 Peenemünde
Öffnungszeiten: April-September: 10.00-18.00 Uhr
Oktober-März: 10.00-16.00 Uhr November-März: montags geschlossen
Dann sehen wir uns auch ein bisschen um auf dem übrigen Gelände. Überall finden wir Wegweiser, die auf bestimmte Punkte in der Landschaft hinweisen; ein ehemaliges KZ, eine Hauptwache, eine alte Heiztrasse, ein alter Bahnsteig … Dann nehmen wir teil an einer Rundfahrt in einem Kleinbus. Die Tour führt uns auch durch das abgesperrte Gelände der alten Heeresversuchsanstalt. Beeindruckt betrachten wir den zerschundenen Wald; überall Beton, Asphalt, Schienen und Schrott. Nicht ratsam, dort allein herumzuspazieren, denn überall muss man mit tiefen Schächten rechnen, die teilweise so überwuchert sind, dass sie sich einem optisch entziehen. Lebensgefährlich! Auch für uns Bunkerratten. Wir ziehen es vor, nicht vom Wege abzuweichen. Es ist auch ein straffes Programm, das wir zu absolvieren haben. Höhepunkt der mobilen Führung bildet Prüfstand VII, die heute noch halbwegs komplett erhaltene Abschußrampe, von der die V2 gestartet wurde. Ein Denkmal mitten im Wald erinnert daran. Und überall um uns herum Schutt, Schrott und mit Wasser vollgelaufene Wasserbecken.
Bekannt wurde Peenemünde durch die Heeresversuchsanstalt Peenemünde („Peenemünde-Ost“) und die Erprobungsstelle der Luftwaffe „Peenemünde-West“ von 1936 bis 1945, deren Gelände bis 1952 als sowjetischer Marine- und Luftwaffenstützpunkt der GSSD genutzt wurde.1952 erfolgte die Übergabe des Stützpunkts an die Volkspolizei (See) als Vorläuferorganisation der Nationalen Volksarmee der DDR. Diese nutzte ihn unter anderem als Marinestützpunkt der 1. Flottille der Volksmarine.Von 1945 bis 1952 bildete die Gemeinde, mit dem nach dem Zweiten Weltkrieg bei Deutschland verbliebenen Teil des Landkreises Usedom-Wollin, den Landkreis Usedom im Land Mecklenburg, welcher 1952 im Kreis Wolgast im Bezirk Rostock aufging.Bis 1990 war der gesamte nördliche Bereich der Insel Usedom bis nach Karlshagen Sperrgebiet der Nationalen Volksarmee, die dort einen wichtigen militärischen Flugplatz betrieb. Der schon zur einstigen Erprobungsstelle der Luftwaffe „Peenemünde-West“ gehörende Flugplatz wurde von 1958 bis 1961 baulich erweitert und seit 1961 vom „Jagdfliegergeschwader 9“ der Luftstreitkräfte der Nationalen Volksarmee genutzt.Nach der Wiedervereinigung Deutschlands erfolgte 1993 die Auflösung des Truppenstandortes.HintergründeDie Bahnstrecke Zinnowitz–Peenemünde diente den Beschäftigten der Heeresversuchsanstalt als Verkehrsmittel und wurde von 1943 bis zum 21. April 1946 elektrisch mit Gleichstrom von 1.200 Volt und Oberleitung betrieben. Oberster Bauleiter der Versuchsanstalt war zeitweilig der spätere Bundespräsident Heinrich Lübke. Zumindest ein Teil der 1.400 auf Usedom lebenden Häftlinge ist direkt der „Baugruppe Schlempp“, bei der Lübke angestellt war, zugewiesen worden; Lübke hat auch selbst Zwangsarbeiter bei der Leitung der Anstalt angefordert. Noch heute wird dieser blutige Teil der Raumfahrtgeschichte gerne verdrängt. In Peenemünde-West wurden die Grundlagen für heutige unbemannte Drohnen geschaffen, in dem der Beweis erbracht wurde, dass ein Flugzeug ferngesteuert sowohl sicher starten als auch landen kann. Die in Peenemünde-West erprobten Huckepack-Flugzeuge (Mistelprojekt) erinnern stark an die spätere Idee der NASA, das Space Shuttle auf dem Rücken einer Boeing 747 zu transportieren.Zur besseren Verfolgung der Starts wurde am Prüfstand VII eine Fernsehübertragungsanlage installiert, die von Walter Bruch entwickelt wurde. Sie war eine der ersten Anwendungen des Industriellen Fernsehens. Prüfstand VII – wichtigste Entwicklungs- und Schulungs-Abschußrampe V1 (Vergeltungswaffe 1) – erster Marschflugkörper, Fieseler Fi 103 V2 (Vergeltungswaffe 2) – Aggregat 4informativ: V3 (Vergeltungswaffe 3) – die Superkanone (Hochdruckpumpe HDP, Tausendfüßler, fleißiges Lieschen oder Englandkanone)
Quelle: Wikipedia Wir verlassen respektvoll und gut informiert diesen geschichtlich bedeutenden Ort.
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